Seminarreise ins Saarland zu Nagato Toshiro Sensei
Über 25 unserer Mitglieder hatten sich auf den Weg gemacht um am ersten Seminar eines japanischen Lehrers in Deutschland seit 3 Jahren teilzunehmen. Neben spannendem und forderndem Training hatten wir auch viel Spass als Gruppe und konnten neben neuen Trainingsideen auch viele neue Freundschaften knüpfen.
Trotz der gelb-blauen Andenken aus den Trainingseinheiten ist unser TSV Vereinsleben offen, inklusiv und vom stetigen Austausch mit anderen Dojos und Vereinen geprägt. So hat es unsere Abteilung auch innerhalb der letzten zwei Jahre regelmäßig geschafft, vereinsinterne Seminare und Reisen, wie zuletzt dem Tagaki-Seminar in Puchheim und die Reise ins Sommerlager des Dojo Fulda, zu organisieren.
Nichtsdestotrotz, ist es in dieser traditionellen Kampfkunst unablässig, den Kontakt zu seinen Wurzeln aufrechtzuerhalten, da vieles einen tieferen Sinn oder einen doppelten Boden hat und sich erst nach jahrzehntelangem Training offenbart. Manchmal auch nur mit freundlicher Gedankenstütze der alten Großmeister. Aufgrund der Reisebeschränkungen haben daher auch die regelmäßigen Reisen unserer langjährigen Vereinsmitglieder nach Japan nicht stattfinden können, weshalb nur sehr eingeschränkter Austausch stattfinden konnte. Erschwerend kam hinzu, dass unser Großmeister, Hatsumi Sensei, Anfang 2020 die neun Schulen des Bujinkan an die nächste Generation weitergegeben hat.
Aus diesem Grund ist dem Taikai im Saarland vom 26. Bis 28. August auch eine besondere Bedeutung zugesprochen worden. Das Taikai ist nicht nur die erste Bujinkan-Großveranstaltung in Europa seit Barcelona 2019, sondern stellt mit Nagato Sensei auch die erste Trainingsmöglichkeit mit einem der neun neuen Großmeister außerhalb Japans. Somit stellte es neben der sehnlich erwarteten Wiederaufnahme alter Freundschaften auch das Ende der monatelangen gefühlten Funkstille nach Japan dar. Und all das in Deutschland.
Diese einmalige Gelegenheit haben sich die fast 30 Mitglieder der drei Trainingsgruppen des TSV, Sakura, Kurome und Okaami, sowie des TSV Puchheim (Mugenkai), natürlich nicht nehmen lassen und reisten von München aus in das 430km entfernte St. Ingbert im beschaulichen Saarland. Insgesamt setzten sich 7 Fahrgemeinschaften und ein Zug am Donnerstag in Bewegung, um pünktlich zum Seminarauftakt am Freitagvormittag in der Stadthalle stehen zu können. Untergekommen sind wir – je nach persönlicher Präferenz – in gemütlichen Hotels, lustigen Airbnb-WGs und abenteuerlichen aber sturmfesten Pfadfinderzelten.
Trotz der 600 Bujinkan-Kämpfer aus 21 verschiedenen Ländern konnte Toshiro Nagato Sensei, Großmeister der Shinden Fudo Ryu Dakentaijustsu, das Taikai pünktlich um 10 Uhr beginnen. Auch wenn das Platzangebot in der Stadthalle überschaubar war, demonstrierte Nagato Sensei einige Übungen mit Bokken (Holzschwert) und Tanto (Kurzschwert), woraufhin er freudig auf sich ihm darbietende Spektakel hinwies: „Great! This looks like a real battlefield.“ So bewegte man sich als Zweiergruppe mit dem Rhythmus der anderen und auch wenn es ein paar weniger filigrane Schwertkämpfer die umstehenden Paare ebenfalls mit beschäftigten, war es doch erstaunlich, wie gut die Einheit funktionierte. Insbesondere Nagato selbst ist eine Augenweide. Mit welch müheloser Eleganz und technischer Präzision er sich um seinen Uke (Angreifer) bewegt, ohne auch nur einmal kurz inne zu halten. Dieser Fluss und Natürlichkeit in der Bewegung bedarf jahrzehntelangem und harten Training, wie später in einer seiner Fragerunden erzählt. Und auch er habe in der Vergangenheit viele Jahre an bestimmten Techniken und tieferen Weisheiten verzweifelt; bis er bereit dafür war. Doch gerade das ist ungemein schwer nachzuahmen, weshalb selbst langjährige Bujinkan-Mitglieder in den Folgeeinheiten mehrmals hinsehen mussten, bis sie den Zugang zur vorgeführten Technik finden konnten. Nagato Sensei kommentierte diese Problematik mit den Worten „Don‘t think, just do!“, womit er andeutete, dass jeder im Anschluss an die zwei bis drei Anfangsbewegungen sich selbst Vertrauen müsse. Selbstverständlich orientierten sich jedoch meisten an dem was Sensei gezeigt hatte, um dann verwirrt und verzweifelt vor einem augenscheinlich nicht lösbaren Problem zu stehen: Wie ist er von hier nach dort gekommen und wo hat er währenddessen den Hebel aufgenommen? „Don’t try to copy me, just pick one yourself“, kam daher prompt als Reaktion. Niemand solle seine Folgetechniken stupide kopieren, sondern kreativ an der eigenen Lösung arbeiten. “Just move from here to here and then everything can happen …”, ergänzte er mit einem Grinsen im Gesicht, während sein Uke (Übungspartner) – wie zuvor auch üblich - versuchte aus dem angesetzten Hebel elegant herauszurollen, um wie vom Blitz getroffen in der halben Bewegung zu Boden zu gehen.
Zusätzlich wurden am Freitag die Prüfung zum Godan (5. Schwarzgurt) abgehalten, wobei die Prüflinge sich mit dem Rücken zu Sensei hinknieen und dieser mit dem Softbokken einen Hieb zum Kopf vollzieht. Die Prüfung gilt als bestanden, sobald im richtigen Moment ausgewichen wird und kein Körperteil während der gesamten Bewegung berührt worden ist. Diese mentale Stärke wurde von ca. 20 Prüflingen eindrucksvoll bewiesen. Herzlichen Glückwunsch zur neuen Graduierung!
Den Abschluss an diesem ereignisreichen Tag bildete eine gesellige TSV Tudering und TSV Puchheim Runde beim ortsansässigen Italiener, bevor es am Samstag weiterging.
Ähnlich wie am Vortag war es auch hier ein stetiger Versuch dem Gezeigten gerecht zu werden und Nagato Senseis Vorgaben punktgenau umzusetzen. Vor diesem Hintergrund möge man nun meinen, dass dieses Taikai nur etwas für erfahrene Teilnehmer ist und war. Schließlich sind die gezeigten Techniken losgelöst vom üblichen Aufbau aus Kihon (Grundlagen) und Kata (Formen). Gerade diese Freiheit jedoch lädt zum Probieren und Erforschen der eigenen Fähigkeiten ein. Und, wie vorhin beschrieben, zeigt das Umfeld, dass man nicht allein ist mit seiner Ratlosigkeit, wodurch alle Teilnehmer gewissermaßen vom gleichen Punkt aus starten und sich keiner ausgeschlossen fühlt. Vor allem dieses Gemeinschaftsgefühl und der zeitgleiche Fokus auf einen selbst sind – unabhängig von der Graduierung – eine Erfahrung, die es sich lohnt erlebt zu werden. Selbstverständlich sind mit steigender Erfahrung auch mehr beziehungsweise passendere Werkzeuge im Koffer, jedoch ist all dies kein Vergleich zu Nagato Senseis gefühlter Lagerhalle der Methoden …
Das Training endete an diesem Tag etwas früher, da am Abend zur Abendveranstaltung geladen wurde. So erschienen die verschwitzten Teilnehmer nur Stunden später alle herausgeputzt und in schicker Abendgarderobe. Eine willkommene Abwechslung zur üblichen schwarzen Trainingskluft. Insbesondere die Damen überboten sich an Eleganz und Ausstrahlung. Nach dem offiziellen Teil mit Reden und dem reichlichen Buffet, wurde dann die Tanzfläche sowie die Bar eröffnet. Was Raum für neue Bekanntschaften und regen Austausch, abseits von der üblichen Trainingsatmosphäre, eröffnete und auch reichlich genutzt wurde.
Ungeachtet der Feierlichkeiten gab es Sonntag noch zwei Trainingseinheiten, bevor es für alle TSV’ler glücklich, reicher an Erfahrungen und geschlossenen Freundschaften sowie müde von den vielen Eindrücken wieder gen München ging.
Abschließend bleibt noch stolz zu erwähnen, dass die Abteilung Bujinkan des TSV Trudering die größte zusammenhängende Gruppe bei diesem Taikai gebildet hat. Unsere Gruppe ist auf dieser gemeinsamen Unternehmung fühlbar enger zusammengewachsen. Man hat sich besser kennengelernt, viel Miteinander trainiert und auch viel Spaß zusammen gehabt. Neben neuem Input für das eigene Training konnte man zudem alte Bekanntschaften im Bujinkan auffrischen und neue schließen. Es lohnt sich also mit uns auf Reisen zu gehen.